Mit Tatkraft und Erfindergeist - Alois Beuker gründet eine Motor- und Motorradfabrik in Bocholt

 

 

Im Sommer 1912 kommt Alois Beuker als frisch „gebackener“ Motorschlosser nach Bocholt. Er ist gerade 17 Jahre alt geworden und stammt als Sohn eines Kötters gebürtig aus Wendfeld, einem heutigen Ortsteil von Stadtlohn. Wo er zunächst Arbeit findet, ist nicht überliefert. Nachdem er noch im November 1918 aus dem Ersten Weltkriege zurück nach Bocholt zu seiner Frau kehren kann, die er 1916 geheiratet hat, entscheidet er sich für den Weg in die Selbstständigkeit. Von Beruf Motorenbauer liegt es für ihn nahe, sich damit näher zu befassen. So eröffnet er im Februar 1919 an der Dingdener Straße ein Fahrrad-, Nähmaschinen- und Automobilgeschäft mit Reparaturwerkstatt auch für Motoren. Nur wenige Monate später verlegt Beuker seine Räumlichkeiten an den Bocholter Ostermarkt – eine weitaus bessere Lage.

Alois Beuker ist ein „Erfinder“, er tüftelt gern. Zu unbestimmter Zeit, vielleicht 1921/22 repariert er nicht nur Motoren und Autos, sondern will auch selbst Motoren konstruieren. Er erweitert sein Geschäft um eine „Spezialfabrik für Motorradmotore sowie komplette Motorräder“. Dabei handelt es sich um Fahrradhilfsmotoren sowie um „Spezialfahrräder“ aus selbst gefertigten Einzelteilen wie Rahmen, Tank, Motor und Getriebe.

Beuker entwickelt und produziert robuste Bauernmotorräder mit zunächst 231-Kubikzentimeter-Zweitaktmotoren. Es folgen 145-, 173-, 198- sowie 246-Kubikzentimeter-Dreikanal-Zweitakter bzw. verschiedene Getriebe-Motorräder und ein Leichtkraftrad, allesamt 2- oder 4-Takter mit 2 bis 2 ½ PS für „Geschäft und Sport“. Zwei seiner 2 ½ PS-Motorräder kosten in den 1920ern 900 bzw. 1.250 Mark. In einer Beschreibung heißt es über den selbst gefertigten Beuker-Spezialrahmen, der mit einem Beuker-Hilfsmotor versehen wird: „Das Vorderrad ist durch eine kräftige Spiralfeder gut gefedert. Die Räder sind mit Speichen von 2 ½ mm Durchmesser und mit 26 x 1 ¾ “ Bereifung ausgerüstet. Das Rad wird geliefert mit einer Fußbremse, welche auf die Riemenfelge wirkt. Außerdem besitzt das Rad […] eine auf das Vorderrad wirkende durch Bowdenzug betätigte Handbremse […].“

Seine „Bauernmotorräder“ sind weitaus erschwinglicher als teure Automobile, weshalb das Motorrad in Deutschland zu dieser Zeit generell einen ungeahnten Aufschwung erfährt. Beuker produziert auch „hochgezüchtete“ Sportmaschinen, die „von vielen Motorsportlern erworben auf allen Rennstrecken mit zum Teil beachtlichen Erfolgen gefahren“ werden. Als „junger und unternehmungslustiger Mann“ ist es Beuker natürlich eine besondere Freude, mit seinen eigenen Motorrädern Rennen zu fahren. So kurvt er in Stuttgart auf der Solitude-Rennstrecke und auf der berühmten AVUS in Berlin.

Die Geschäfte scheinen zumindest bis 1924 recht gut zu laufen. Denn eigenen Angaben zufolge, die nicht gesichert sind, soll Beuker 1924 ganze 85 Mann beschäftigen. Später wird es heißen, seine Fabrik habe satte 5.000 Motorräder oder Motoren produziert.

Dass Beuker begeisterter Bastler ist, hat er bereits bewiesen. Sein Ehrgeiz packt ihn und er entwickelt sogar ein eigenes Automobil, den „Beuker-Kleinwagen“. Darüber ist heute kaum etwas bekannt, doch ein Kfz-Mechaniker wird den Kleinwagen Jahrzehnte später wie folgt beschreiben: „ein von ihm selbst gefertigtes, kleines, zweisitziges, offenes Auto“.

Seine Fabrik befindet sich zunächst im Schleusenwall hinter dem heutigen Marien-Gymnasium, wo sie in einer der dortigen Betriebe eingemietet ist. Dann irgendwann verlegt Beuker die Produktion nach Biemenhorst. 1926 verlagert er seinen Betrieb wiederum, nun ins Hintergebäude der Langenbergstraße 21 in der Bocholter Innenstadt, wo Heinrich Fölting vorn eine Fahrrad-Handlung betreibt. Das Gebäude beherbergte früher eine Gastwirtschaft und verfügt noch über den geräumigen vormaligen Saal, der sich nach Beukers Ansicht zur Reparatur von Autos, Lastwagen und Motorrädern sowie zur Produktion neuer eigener Motorräder eignet.

Doch das Geschäft, das seit 1924 mit seiner Ehefrau Wilhelmine Seibel als Inhaberin geführt wird, kommt Ende der 20er Jahre in Schwierigkeiten. 1928 wird der Betrieb aus verschieden wiedergegebenen Gründen aufgegeben bzw. von Horst Rotkirch als Autoreparaturwerkstatt übernommen. Nun will Beuker sein zweites Hobby mit dem neuen Beruf verbinden. Längst ist er begeisterter Amateurfunker und sieht in der neuen Technik großes Potenzial. Als erster Bocholter hat er eine Sendelizenz für Amateurfunker erhalten und gründet 1928 mit einigen Funkamateuren die Bocholter Ortsgruppe des Deutschen Amateur-Radio-Clubs (DARC), deren Vorsitzender er für 33 Jahre lang sein wird.

So macht er sich nun nach dem Durchbruch des Radios als Rundfunkmechaniker selbstständig, und zwar zunächst in der Viktoriastraße 27. Dann verzieht er in die Nobelstraße 5, wo er 1945 mittlerweile als Rundfunkmechanikermeister „ausgebombt“ wird. Doch Beuker kommt bereits 1945 aus der Kriegsgefangenschaft zurück und baut seinen Radioinstandsetzungsbetrieb nun im Nordwall 4 neben der Kleiderfabrik Benders wieder auf. Bei dem Wiederaufbau handelt es sich um ein schmales Gebäude mit Laden, Werkstatt und Wohnräumen. Der Nordwall 4 gilt quasi als Hintergebäude des Eckhauses an der Nordstraße, verfügt aber über eine eigene Front zum Nordwall. Mit der Verbreitung des Fernsehens weitet Beuker in den nächsten Jahren seine Reparaturwerkstatt auf TV-Geräte aus.

Jahrzehnte später tritt Beuker in den Ruhestand: Im Herbst 1970 werden das Eckhaus Nordstraße/Nordwall und sein Geschäfts- und Wohnhaus zur Verbreiterung des Bocholter Stadtringes abgerissen. Heute befindet sich dort der freie Platz südlich der neuen Schul-Mensa am Benölken-Platz.

2021 konnte ich den bislang einzig bekannten Beuker-Motor erwerben. Ob irgendwo noch ein Beuker-Motorrad oder weitere Motoren existieren?

Anzeige zur Geschäfts-Eröffnung, 1919.

Alois Beuker, 1936.

Werbeanzeige mit Beuker-Motorrad, 1924.

"Beuker"-Schriftzug auf dem Aluminium-Gehäuse eines Fahrradhilfs- oder Leichtkraftradmotors, etwa 1921/22.

Werbeanzeige mit Beuker-Motorrad, 1927.

Beuker bleibt dem motorisierten Zweirad auch nach dem Ende seiner Motorradfabrik treu, 1936.

Beuker vor seinem Radio-Geschäft im Nordwall 4, 1952.